Zurück in die Zukunft: So nutzt OPAL Reverse Engineering in der Maschinenentwicklung

Was tun, wenn man eine Maschine optimieren will, die nicht mehr hergestellt wird? Exakt diese Frage stellte sich einer unserer Kunden – und fand die Antwort darauf bei uns. Unser Konstruktionsteam hat den Spieß umgedreht und auf diese Weise eine Nachbildung entwickelt, die ihrem Vorgänger einiges voraushat.

Die Konstruktionswelt steht Kopf: Ausgangslage und Auftrag

Simulation: Funktionsweise der Presse in der Schraubenmaschine
Simulation: Funktionsweise der Presse in der Schraubenmaschine

Der Protagonist des Projekts: eine kombinierte, komplett mechanische Schraubenmaschine, bestehend aus Presse (zur Kopfausformung) und Gewindewalze, die eine sehr effiziente Lösung darstellt und in Sachen Produktionsgeschwindigkeit und Funktionsvielfalt weiter optimiert werden sollte. Das Problem: Die Maschine wird nicht mehr hergestellt – und dementsprechend existierten keine nutzbaren Konstruktionsdaten.

Was man nicht beschaffen kann, muss man eben selbst bauen – mit diesem Entschluss trat der Kunde an das Team von OPAL heran. Unsere Aufgabe: die Entwicklung von Konstruktionsunterlagen, bei denen eine Maschinenoptimierung hinsichtlich Produktionsgeschwindigkeit und Produktspektrum bereits mitgedacht ist.

Für uns hieß das: Maschinenteile maßlich abnehmen, Fertigungsunterlagen erstellen und dabei die gewünschten zusätzlichen Funktionen integrieren.

Das Ergebnis wird zur Aufgabe: Herausforderung und Methodik

In der Maschinen- und Prototypenentwicklung gelangt man im Normalfall vom Konzept zur (optimierten) Maschine. In diesem konkreten Fall war es andersherum, denn die Maschine war bereits vorhanden, der Plan aber nicht.

Wenn die Umstände sich ändern, ändern wir uns eben mit! Dank unserer Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion stellte die besondere Ausgangslage für uns kein Problem dar. Um das Ziel zu erreichen und die geplante Maschinenoptimierung realisierbar zu machen, setzten wir auf die Möglichkeiten des Reverse Engineering.

Zur Erklärung: Als Reverse Engineering (auch Reengineering) bezeichnet man einen Vorgang, bei dem die Strukturen und Verhaltensweisen eines bestehenden Systems bzw. Produkts untersucht werden, um daraus Konstruktionselemente extrahieren bzw. eine komplette Nachkonstruktion durchführen zu können. Ziel ist eine möglichst exakte Abbildung des vorhandenen Objekts.

Im Sinne dieses (vorläufigen) Ziels musste die gesamte Maschine demontiert, in einzelne Baugruppen zerlegt und jedes Teils abgemessen werden. So konnten Grundfunktionen und Eigenschaften fixiert werden. Die Oberflächenbeschaffenheit und vorgenommene Wärmebehandlung durften dabei ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden.

Eine besondere Herausforderung des Reengineering stellte die Erarbeitung der spezifischen Funktionsauslegung dar – schließlich fehlte die Testerfahrung der Maschine. Aus diesem Grund gestalteten sich die systematische Maßaufnahme und CAD-Umsetzung der großen Teilmengen als komplexe Arbeitsschritte.

Im Rückwärtsgang ans Ziel: Umsetzung und Leistung

Zur ersten Maßaufnahme des Grundkörpers nutzen wir eine Messmaschine und erstellten ein Grobmodell mit Zeichnung. Die darauf basierende Genauigkeitsflächenauswahl diente als Basis für die Gestellzeichnung.

Modell der mechanischen Schraubenmaschine
Gesamtmodell der Schraubenmaschine mit Presse und Gewindewalze

Die Kurvenscheiben und Zahnräder der Maschine wurden mithilfe einer Koordinatenmessmaschine vermessen. Mithilfe der so fixierten Geometriepunkte konnten im Reengineering die Konturen und Rastpunkte der Scheiben nachvollzogen und ein zeitliches Ablaufdiagramm erstellt werden. Bei der Messung der Zahnräder erhielten wir die benötigten Verzahnungsdaten.

Im Zuge des Reverse Engineering wurden diverse Modernisierungsmaßnahmen ergriffen. Die neue Maschinenkonstruktion beinhaltete moderne Antriebe und wurde an aktuelle Normen bzw. Vorschriften angepasst. Einige Zukaufteile der Maschine werden heute nicht mehr hergestellt. Die davon betroffenen Bauteile legten wir deshalb neu aus. Während der Demontage und Messung identifizierten und dokumentierten wir diverse Schwachstellen und Defizite, die wir in Absprache mit dem Kunden korrigierten.

Bei alledem durften wir eins natürlich nicht vergessen: das Optimierungsvorhaben des Kunden. Auf den geplanten Eingriff in die Grundmechanik bereiteten wir die Maschine entsprechend vor, zum Beispiel durch eine Anpassung des Maschinenkörpers, sodass dieser die Integration eines längeren Walzwegs erlaubt.

Besonders clever: Die von uns konstruierten Fertigungsteile können zukünftig auch als Austausch- bzw. Ersatzteile für die bestehende Maschine genutzt werden.

Ready for Success: Ergebnis und Folgeprojekte

Eine funktionsfähige Maschine im Rückwärtsgang komplett zu (re-)konstruieren – diese Herausforderung haben wir in weniger als einem Jahr gemeistert. Möglich war uns diese Leistung dank unserer Kompetenz in der Analyse, Messung, Simulation und Projektkoordination, aber auch durch die geschickte Nutzung hauseigener Softwarelösungen und Datenbanken. Insgesamt konnten wir ca. 1.000 Fertigungsteile und 1.200 Katalog-/Normteile effektiv bearbeiten – aus wirtschaftlicher Sicht ein echter Geniestreich.

Nach Abschluss des Projekts standen dem Kunden umfassende 3D-Modelle und alle Fertigungszeichnungen zur Verfügung. Auf Basis dieser Unterlagen wurde im Anschluss ein erster Prototyp mit Originaleigenschaften gebaut, der seine Funktionsfähigkeit im Test unter Beweis stellen konnte. Mit diesem Erfolg als Fundament wurde ein zweiter Prototyp mit optimierten Geometrien und Baugruppen gefertigt – und das finale Ziel unseres Kunden so erreicht.

Dieses außergewöhnliche Projekt zeigt: Maschinenoptimierung ist keine Einbahnstraße. Um Wege jenseits des Standards zu gehen, braucht es Kompetenz, Erfahrung und Vorstellungskraft. Wir freuen uns, unseren Kunden all das bieten und so immer neue Standards setzen zu können.