Simulation als Hilfsmittel im digitalen Entscheidungsprozess

Neuentwicklung und Endscheidungsprozesse sind oftmals von verschiedenen Randbedingungen so beeinflusst, sodass mit Entscheidungen zwischen Grenzbereichen abgewogen werden muss, um irgendeinen Kompromiss zu finden. Wie Simulationstools helfen, die Lösungen dazwischen zu finden zeigt das nachfolgende Beispiel:

Bei nahezu jeder Neukonzeption einer Werkzeugmaschine stellt sich die Frage, wie die Werkzeugspindel im Maschinengestell gelagert wird. Die Möglichkeiten können von einer einseitig relativ weichen Aufnahme an der Spindelnase bis hin zu einer sehr steifen Zentrierung der Spindel im vorderen und hinteren Bereich reichen. Diese Bandbreite ergibt sich aus den verschiedenen Anforderungen, die an ein Spindelsystem gestellt werden. Dabei sind der zwangsfrei und dennoch möglichst steife Einbau zwei Anforderungen, die immer an ein Spindelsystem gestellt werden, aber aufgrund Ihrer Gegensätzlichkeit nicht befriedigend gemeinsam erfühlt werden können. Nun soll durch eine optimale Abstimmung dieser Einbausituation, auf die grundlegenden dynamischen Eigenschaften der Maschine hin, ein möglichst perfektes Maschinenverhalten erzielt werden. Aber wie kann das gelingen?

Maschinenverhalten abstimmen – Wieso?

Um im gesamten Leistungsbereich einer Maschine gute Bearbeitungsergebnisse zu erzielen, ist es einerseits notwendig das dynamische Nachgiebigkeitsniveau relativ gering zu halten und anderseits die Maschineneigenfrequenzen nicht im Bearbeitungsbereich zu haben. Theoretisch braucht dafür nur an bestimmten Stellen der Maschine das Steifigkeitsniveau verändert zu werden. Praktisch können aber Führungsverhältnisse, Massen von Gestell- oder Anbauteile nicht ohne weiteres verändert werden.

Spindelzentrierung – ein typisches Praxisbeispiel.

Im vorliegenden Fall ist in zwei Simulationen das Maschinenverhalten mit einer zentrierten und einer nicht zentrierten Spindel gezeigt.

Abbildung 1: Frequenzgang in einer Raumrichtung (Y-Achse) am Werkzeug zum Vergleich des Maschinenverhaltens mit einer nicht zentrierten Spindel (links) und einer hinten zentrierten Spindel (rechts)
Abbildung 2: Links ist die Bewegungsform des Spindelpendelns und rechts die der Spindelbiegung dargestellt.

Markant und für diesen Fall von Interesse sind die beiden Eigenfrequenzbereiche des Spindelpendels (orange dargestellt) und der Spindelbiegung (rot dargestellt). Das Pendeln der Spindel ist eine Bewegungsform bei welcher die gesamte Spindel um ihre vordere Aufnahme verkippt. Bei der Biegung der Spindel hingegen verformt sich im Resonanzfall nur die Spindelwelle. Beide Bewegungsformen bewirken eine unerwünschte Schwingung am Werkzeug (siehe Abbildung 2). Das Verhalten der Maschine mit nicht zentrierter Spindel ist durch gleichmäßig über den gesamten Frequenzbereich auftretende Eigenfrequenzen charakterisiert. Die Zentrierung der Spindel an der Rückseite bewirkt, dass das Pendeln der Spindel um die vordere Lagerung nahezu verschwindet, die Spindelbiegung dafür umso mehr hervortritt – ein Dilemma.

Mit Simulation Potentiale aufzeigen und Lösungen verifizieren

Ein guter Kompromiss verspricht zwei Dinge, nämlich das Pendeln der Spindel zu verringern, ohne die Spindelbiegung dabei zu stark zu fördern. Erreicht werden kann dies nur durch eine Einbausituation  die in ihrer Steifigkeit genau auf dieses Problem abgestimmt wird. Optional kann durch schwingungsdämpfende Elemente das dynamische Nachgiebigkeitsniveau an dieser Stelle nachhaltig gesenkt werden.

Tabelle 1: Verhalten der dynamischen Nachgiebigkeiten der Pendel (orange)- und Biegemoden (rot) in Anhängigkeit der Steifigkeit in der Spindelzentrierung

In einer Studie, in welcher das Maschinenverhalten mit unterschiedlichen Steifigkeiten in der Zentrierung simuliert wurde, findet sich dann das Optimum zwischen den beiden Maschineneigenschaften, indem nach einem möglichst ausgewogenen Verhältnis der dynamischen Eigenschaften gesucht wird. Die ausgeführte Studie liefert in Abhängigkeit der Steifigkeit der Zentrierung die jeweiligen dynamischen Nachgiebigkeiten für die beiden relevanten Eigenfrequenzen. Die beiden Schnittpunkte der Funktionen definieren jeweils ein Optimum des Problems. Entscheiden muss man sich für die höhere Steifigkeit im System, da dies im Allgemeinen für eine höhere Performance spricht.

Aufbauend auf den gewonnen Erkenntnissen wurde eine Baugruppe entwickelt, welchen genau den gewünschten Anforderungen der Steifigkeit entspricht. Diese wird dann im hinteren Bereich der Spindelzentrierung montiert. Basis dieser Baugruppe sind eigens entwickelte
Feder-Dämpferelemente, welche wiederum mit Hilfe einer FEM-Studie auf die geforderte Steifigkeit von kr=61N/µm hin entwickelt werden.

Abbildung 3: Links ist der Einbau in der Z-Achse gezeigt, rechts die Baugruppe einzeln.

Nebenbei ist es möglich, den optimalen Dämpfungswert für diese Einbausituation zu ermitteln, der das Niveau der dynamischen Nachgiebigkeiten auf ein Minimum begrenzt. In diesem Fall konnte die Amplitude des Spindelpendelns im Vergleich zur nicht zentrierten Spindel um 35%  gesenkt werden. Die Amplitude der Spindelbiegung verringert sich im Vergleich zur zentrierten Spindel um 75%.

Zusammenfassung:

Tabelle 2: Vergleich der beiden Ausgangszustände gegenüber der angepassten Steifigkeit in der Zentrierung. Links der Vergleich zwischen der nicht zentrierten Spindel und rechts zur zentrierten Spindel.

Die am Anfang beschriebene Problemstellung, das Abwägen zwischen weicher und steifer Einbausituation, ist exemplarisch für viele Situationen, in denen es gilt einen Kompromiss zwischen zwei Alternativen zu finden, die komplett ambivalent sind. Gelöst werden konnte diese Situation in drei Schritten. Erstens, durch die FE-Simulationsstudien, in denen das theoretische Optimum für die Steifigkeit in den Zentrierung gefunden wurde. Im Zweiten Schritt wurde eine Baugruppe entwickelt, die genau die erforderliche Steifigkeit abbildet. Im Dritten und letzten Schritt folgt eine weitere Simulationsstudie, die ebenfalls für diese Maschine eine optimale Dämpfung in der hinteren Zentrierung findet. Bemerkenswert finden wir, die große Performanceverbesserung, die die kompakte Baugruppe doch ermöglichen kann.